Kommentar zum Artikel „ Snackification“ von Alice Lanzke
Über dem Artikel steht geht das Trendphänomen namens “Snackification”: die neue flexible Zeitplanung löst das starre Frühstücks-Mittags-Abendessen-Modell ab. Das schreibt die Ernährungstrendforscherin Hanni Rützler in ihrem neuen Report. Das Thema Snackification hat für mich wenig mit dem Thema zunehmender (vermeindlicher?) Unverträglichkeiten zu tun.
In den Artikel geht es inhaltlich um Sinn und Unsinn von „Frei-von“ Lebensmitteln und die Zunahme von Menschen, die bestimmte Lebensmittel meiden. Die Autorin vermischt zwei Themen.
Nun zum Inhalt. Ich lese in letzter Zeit oft kritische Artikel zur wachsenden Zahl von Menschen, die bestimmte Lebensmittel, wie laktosehaltige Milchprodukte, glutenhaltige Getreide oder fructosehaltige Lebensmittel dauerhaft oder vorübergehend weglassen. Ein paar der oft angeführten Argumente finde ich auch hier. Deshalb möchte ich meine Sicht der Dinge darstellen, wie ich es in der Praxis tagtäglich erfahre. Für mich ist das Befinden des Einzelnen vor und nach der Ernährungsumstellung und die Nachhaltigkeit der Verhaltensänderung wichtig, wenn es wirklich erforderlich ist.
Unstrittig ist, dass jemand, der Bauchbeschwerden oder vermutete Unverträglichkeiten hat, einen kompetenten Fachmann konsultiert.
1. In diesem Artikel werden zwei Begriffe vermischt: Unverträglichkeit und Allergie.
Lebensmittel-Unverträglichkeit ist ein Oberbegriff (laut daab) für mehrere Begriffe:
- die echte Lebensmittel-Allergie,
- Pseudoallergie,
- Kohlenhydrat-Verwertungsstörung (Laktose-Unverträglichkeit, Fruktose-Malabsorption),
- Reaktion auf biogenen Amine wie Histamin,
- Autoimmunerkrankung wie der Zöliakie.
Die Allergie ist ein immunologische Reaktionen, eine Reaktion des Immunsystems. „Bei Erwachsenen treten Nahrungsmittel-Allergien in etwa 1 bis 5 % der Fälle auf, bei Kindern etwas öfter mit etwa 5 bis 10 %. Nahrungsmittelintoleranzen kommen mit durchschnittlich etwa 30 % hingegen deutlich öfter vor.“ (Wikipedia, 4. April 2020). Das deckt sich mit der Erfahrung in meiner Praxis. Ein gutes Drittel aller Klienten haben eine Unverträglichkeit. Und bei allen besteht Handlungsbedarf.
2. Es wird behauptet, Fructose-Malabsorption oft das Resultat einer Fehlernährung ist. Das kommt dabei raus, wenn man Storchenstatistiken aufstellt: es gibt mehr Störche + es werden mehr Kinder geboren. Also bringen die Störche die Kinder. Ja, der Fructosegehalt in der Ernährung nimmt wegen vermehrtem Einsatz in verarbeiteten Lebensmitteln drastisch zu. Aber nur ein kleiner Teil der Betroffenen in meiner Praxis nimmt diese Lebensmittel mit zugesetzter Fructose zu sich oder verzehrt übermäßig viel Zucker. Zur Fructose-Malabsorption führen nach meiner Erfahrung ganzheitlich betrachtet vier verschiedene physiologische Gründe. Fehlernährung ist nur einer davon und der seltenere Fall. Wenn man die Ursache findet und behebt, dann ist Fructose wieder verträglich.
3. Thema laktosefreie Ernährung.“Jedoch besteht das Risiko eines Kalziummangels“. Wer eine Laktoseintoleranz hat, sollte wirklich Laktose reduzieren oder weglassen, je nach Grad der Laktoseintoleranz. Dazu kommt noch die Zahl der Menschen mit Kuhmilcheiweiß-Unverträglichkeit. Beide müssen den Milchkonsum einschränken oder verändern. Natürlich erfordert es, dass man die Milch nicht nur wegläßt, sondern sich ausgewogen ernährt und die eigene Ernährung umstellt, zusammen mit einer Ernährungsberaterin. Auch die Menschen in den Ländern, die keine Kuhmilchhaltung haben, leben gut ohne Milch, ohne einen Kalzium-Mangel zu erleiden. Die wenigsten kommen auf die Idee, das nur mit Rhabarber und Spinat zu ersetzen. Die meisten Kalziumquellen haben kaum Oxalsäure, die das Kalzium bindet. Dazu kommt: wenn die Kalzium-Zufuhr hauptsächlich durch tierisches Kalzium gedeckt wird, dann führt dies langfristig zu Übersäuerung, was den Kalzium-Bedarf erhöht. Das ist ein Teufelskreis. Mit überwiegend pflanzlichem Kalzium passiert das nicht.
Zusammenfassend gesagt, bin ich davon überzeugt, dass man gut, wenn es erforderlich ist, ohne Kuhmilch oder Weizen oder Fleisch leben kann. Wichtig ist nur, es nicht einfach wegzulassen, sondern sich um adäquate Alternativen zu kümmern, so dass die Versorgung mit alle erforderlichen Nährstoffen gewährleistet ist. Zusätzlich ist es wichtig, das eigene Befinden zu beobachten. Durch die Umstellung sollte sich das Befinden relativ kurzfristig bessern.